24.04.2024

Bedrohung mit I

Von Frank Furedi

Titelbild

Foto: Blogotron via WikiCommons ( CC0)

Islamismus ist ein Problem, das viele nicht beim Namen wollen. In Großbritannien geht man der Vokabel auch amtlich aus dem Weg. Feigheit hilft allerdings nicht weiter.

Dame Sara Khan, Beraterin der britischen Regierung für sozialen Zusammenhalt, stellte kürzlich fest, dass der islamische Extremismus, den sie als Kind erlebt hat, zum Mainstream geworden ist. Sie wuchs in Bradford auf und war schockiert darüber, wie die kürzlich verbotene islamistische Gruppe Hizb ut-Tahrir versuchte, Mädchen und Jungen im Alter von 13 Jahren zu radikalisieren. Wer mit der Situation an vielen Schulen in England vertraut ist, so lässt sie anklingen, den könnte das, was in den Klassenzimmern los ist, nicht mehr schocken.

Großbritannien liegt damit nur wenig hinter Frankreich, wo Dutzende von Schulen unter bewaffneten Schutz gestellt wurden, nachdem mehr als 130 islamistische Terrordrohungen eingegangen waren. Ein Gymnasium in der Nähe der Stadt Nantes wurde kürzlich evakuiert, nachdem Schüler, Eltern und Lehrer Online-Videos erhalten hatten, die Enthauptungen zeigten. Diese Videos wurden auf einer digitalen Plattform gepostet, die als Verbindungskanal zwischen Lehrkräften, Schülern und Eltern diente, und per E-Mail direkt an die Lehrer versandt.

Zwei Schulleiter von Pariser Gymnasien haben in den letzten Wochen Morddrohungen erhalten, nachdem sie versucht hatten, das Recht durchzusetzen. Unter diesem Druck trat einer der beiden Schulleiter von seinem Posten zurück. Der zurückgetretene Schulleiter erinnert sich zweifellos an die Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty durch einen 18-jährigen tschetschenischen „Flüchtling" im Jahr 2020.

Großbritannien mag noch ein wenig hinter Frankreich liegen, aber die Weigerung des politischen Establishments, das Ausmaß dieser Bedrohung anzuerkennen, führt dazu, dass die britischen Schulen in absehbarer Zeit das gleiche Schicksal erleiden werden. Doch leider weigert sich die britische Regierung, die Bedrohung durch die Verfechter der islamistischen Ideologie öffentlich anzuerkennen.

Von Extremisten und Kämpfern

Der Begriff Islamismus wird in Großbritannien von offizieller Seite nur selten verwendet. Auch die Mainstream-Medien verwenden ihn nur sehr ungern. Organisationen wie die BBC vermeiden es, irgendeine Verbindung zwischen dem Islam und dem Terrorismus herzustellen und bevorzugen stattdessen beschönigende Begriffe wie Extremismus. Politiker haben sich diesem Beispiel angeschlossen. Tom Slater, Redakteur bei Spiked, erinnert uns an eine besonders „bissige Bemerkung, die [der britische Musiker] Morrissey nach dem Bombenanschlag in der Manchester Arena 2017 machte, bei dem 22 Menschen, viele von ihnen Kinder, von dem islamistischen Bombenleger Salman Abedi ermordet wurden: ‚Der Bürgermeister von Manchester, Andy Burnham sagt, der Anschlag sei das Werk eines Extremisten. Was für ein Extremist? Ein extremes Kaninchen?‘“.

„Wenn sich ein führender Politiker selbst nach einem grausamen Terroranschlag weigert, die Täter als islamische Terroristen zu bezeichnen, wird deutlich, dass etwas ernsthaft schief gelaufen ist.“

Wenn sich ein führender Politiker der Labour-Partei wie Burham selbst nach einem grausamen Terroranschlag weigert, die Täter als islamische Terroristen zu bezeichnen, wird deutlich, dass etwas ernsthaft schief gelaufen ist. Das war vor über fünf Jahren! Heute wird nicht einmal die von der Hamas am 7. Oktober 2024 begangene Massengräueltat gegen israelische Zivilisten von der BBC als Terrorakt gebrandmarkt.

In den Tagen nach dem antisemitischen Pogrom vom 7. Oktober vermied die BBC bewusst das Wort Terrorist. Stattdessen bezeichnete sie die Hamas-Terroristen immer wieder als Kämpfer. Eine ihrer Schlagzeilen lautete: „Israelische Festivalbesucherin von Hamas-Kämpfern entführt". Ein Artikel des internationalen Redakteurs Jeremy Bowen, der aus Israel berichtete, trug die Überschrift: „In Kfar Aza, wo Hamas-Kämpfer Familien in ihren Häusern töteten". John Simpson, BBC-Redakteur für Weltgeschehen, erklärte, dass die Rundfunkanstalt „Partei ergreife", wenn es die Hamas als Terroristen bezeichne, und dass die Verwendung dieses Begriffs bedeute, dass man nicht mit der „gebotenen Unparteilichkeit" über den Konflikt berichte.

Die BBC scheint sich durchgehend unbewusst zu sein, wann die Verwendung des Wortes „Terrorist" oder „Terrorismus" angemessen ist. In den redaktionellen Leitlinien der BBC heißt es: „Die Werturteile, die häufig mit der Verwendung der Worte ‚Terrorist` oder ‚terroristische Gruppen´ einhergehen, können zu einer widersprüchlichen Verwendung führen oder beim Publikum Zweifel an unserer Unparteilichkeit wecken". In Wirklichkeit bedeutet die Entscheidung der BBC, die Täter der Hamas-Gräueltaten als Kämpfer zu bezeichnen, dass sie Partei ergriffen hat. Der Sprachgebrauch der BBC gibt der Behauptung Futter, dass das Pogrom der Hamas eine legitime Tat von Kämpfern gewesen sei.

Unterwerfung und Unaussprechliches

Damals habe ich die Ansicht vertreten, dass die Weigerung der BBC, die Hamas als terroristisch zu bezeichnen, durch ihre Antipathie gegenüber Israel motiviert ist. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das neutrale und euphemistische Vokabular der BBC auch von zahlreichen anderen öffentlichen Einrichtungen und dem britischen politischen Establishment verwendet wird. Man kann sich nur schwer der Schlussfolgerung entziehen, dass hier vor allem eine tiefempfundene moralische Feigheit am Werk ist, eine Angst, den Islamismus und die ihn unterstützenden Gemeinschaften zu provozieren. Deshalb werden Politiker wie der ehemalige Tory-Abgeordnete und nun für Reform UK im britischen Parlament sitzende Lee Anderson oder die dem rechten Flügel der Tories angehörende Suella Braverman, die es wagten, öffentlich vor der Bedrohung durch den Islamismus zu warnen, von den Medien sofort als Extremisten oder Islamophobe denunziert. Braverman vertritt die Auffassung, dass „die Islamisten Großbritannien in die Unterwerfung treiben". Die hysterische Reaktion auf ihre Aussage zeigt, dass sie durchaus Recht haben könnte.

„Da es der Staatsführung an Klarheit darüber mangelt, wofür sie steht, hat sie Probleme, mit Gegnern wie den Islamisten umzugehen, die sehr genau wissen, worum es ihnen geht.“

Die Reaktion auf Braverman und auf die Verwendung des Begriffs Islamismus selbst ist von moralischer Feigheit und Angst geprägt. Deshalb verhaftet die Polizei auf einer Pro-Hamas-Demonstration eher jemanden, der ein Plakat mit der Aufschrift „Hamas sind Terroristen" trägt, als diejenigen, die zur Zerstörung Israels aufrufen. Die verbale Akrobatik rund um die Worte Islamismus und Terrorismus ist symptomatisch für den zögerlichen Charakter des offiziellen Diskurses. Zeitweise schien es, als wolle die offizielle Seite das Wort Islamist buchstäblich aus ihrem Wortschatz verbannen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Antiterror-Polizei in Erwägung zog, Ausdrücke wie „islamistischer Terrorismus" und „Dschihadisten" zu streichen und durch „Terrorismus mit Glaubensbekenntnis" und „Terroristen, die religiöse Motive missbrauchen" zu ersetzen. Die Tatsache, dass die Antiterror-Polizei aktiv in Erwägung gezogen hat, ein solches Orwellsches Vokabular zu übernehmen, wirft die Frage auf, ob sie weiß, gegen was sie kämpft.

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die feige Ausrichtung der Behörden gegenüber dem Islamismus dem Krieg in Gaza lange vorausging. Wie ich in meiner Studie „Invitation to Terror" aus dem Jahr 2007 feststellte, kann man sich bei der Lektüre offizieller Erklärungen zur Bedrohung durch den islamischen Terrorismus nur schwer des Eindrucks erwehren, dass ihre Verfasser viel zu sehr mit dem Studium von Harry-Potter-Büchern für Kinder beschäftigt waren. Damals habe ich festgehalten:

„In diesen Büchern ruft Harrys Erzfeind, der böse Zauberer Lord Voldemort, so viel Angst hervor, dass die Menschen es nicht wagen, ihn beim Namen zu nennen. Daher nennen sie ihn ‚Der, der dessen Name nicht genannt werden darf' oder ‚Du-weißt-schon-wer'. Gegenwärtig scheinen Staatsvertreter große Schwierigkeiten zu haben, sich auf eine erwachsene Diskussion über ‚Du-weißt-schon-was' einzulassen".

„Islamismus“ ist das Wort, das nicht genannt werden kann und nicht genannt werden darf. Die Angst, den Islam beim Namen zu nennen, ist das Ergebnis einer Verunsicherung der Staatsführung über ihren Platz in der Welt. Da es ihr an Klarheit darüber mangelt, wofür sie steht, hat sie Probleme, mit Gegnern wie den Islamisten umzugehen, die sehr genau wissen, worum es ihnen geht. Verwirrung führt unweigerlich zu Unsicherheit und zum Unwillen, das Problem anzugehen. Jeder, der die Reaktion der britischen Polizei auf islamistische Demonstranten beobachtet, wird feststellen, dass es ihr an Selbstvertrauen mangelt, die Situation zu meistern. Eine meiner Quellen, ein ehemaliger Polizist, erklärte mir, dass die Polizei tatsächlich Angst vor der Konfrontation mit islamistischen Demonstranten hat.

Kein Krieg gegen Terror

In meiner Untersuchung führe ich das Zögern staatlicher Stellen bei der Auseinandersetzung mit dem Islamismus auf deren Sinnkrise zurück. Wie ich weiter unten erkläre, war dieses Phänomen bereits während des Krieges gegen den Terror, der nach dem 11. September 2001 ausbrach, nur allzu offensichtlich. Im Dezember 2006 wurde im britischen Daily Telegraph berichtet, dass das Außenministerium den Ministern, Botschaftern und Beamten der Regierung geraten hatte, den Begriff „Krieg gegen den Terror" und ähnliche provokative Begriffe nicht mehr zu verwenden, da „sie die Gefahr bergen, britische Muslime zu verärgern und Spannungen in der islamischen Welt insgesamt hervorzurufen". Dass die Bezeichnung, mit der dieser globale Konflikt definiert werden sollte, als Belastung empfunden und so leicht über Bord geworfen werden konnte, war symptomatisch für das Unbehagen an der Verwendung von Wörtern, die die Anhänger des Islam beleidigen könnten.

Nicht lange, nachdem das Außenministerium seinen neuen Sprachkodex herausgegeben hatte, schlossen sich andere Minister der Regierung an. Im April 2007 erklärte der damalige Entwicklungsminister Hilary Benn, dass der Terminus Krieg gegen den Terror sehr ungeeignet sei. „Im Vereinigten Königreich verwenden wir den Begriff ‚Krieg gegen den Terror‘ nicht, weil wir mit militärischen Mitteln allein nicht gewinnen können", erklärte er gegenüber der BBC. Diese nicht ganz zutreffende Aussage über die offizielle Rhetorik, die in den ersten sechs Jahren des Krieges verwendet wurde, sollte den eigentlichen Problemen ausweichen. Wie jeder weiß, werden Kriege selten allein mit militärischen Mitteln gewonnen, aber das hält die Protagonisten nicht davon ab, sie als Kriege zu bezeichnen. Wenn es kein Krieg ist, was ist es denn dann?

Für einige Kritiker der Sprachregelung des Außenministeriums hatte dies damals den faden Beigeschmack einer feigen Weigerung, sich einer ernsten Bedrohung des Westens zu stellen. „Anstatt den Islamismus als ideologischen Feind der Demokratie zu bezeichnen, benutzten Regierung und Kommentatoren gleichermaßen den Begriff ‚Terrorismus‘ als Euphemismus, um die tatsächliche Bedrohung nicht beim Namen nennen und so die gewalttätigen antiwestlichen Einstellungen nicht mit Elementen in der islamischen Gemeinschaft in Verbindung bringen zu müssen", hieß es in der Fachzeitschrift International Affairs.

„Heute wird der Begriff Islamophobie ständig verwendet, um jeden zum Schweigen zu bringen, der es wagt, auch nur die leiseste Kritik an der Rolle der Islamisten in westlichen Gesellschaften zu äußern.“

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals zeigte die Europäische Union, dass auch sie das I-Wort abschaffen wollte. In einem im April 2006 herausgegebenen Leitfaden zur Frage, welche Worte zur Beschreibung des Feindes verwendet werden sollten, wurde vorgeschlagen, dass die europäischen Regierungen den Begriff „islamischer Terrorismus" zugunsten der Orwellsch klingenden Phase „Terroristen, die sich missbräuchlich auf den Islam berufen" vermeiden sollten. Die Erfindung dieses Begriffs war Teil des Projekts, ein „nicht emotionsgeladenes Wörterbuch für die Diskussion über Radikalisierung" zusammenzuschustern. Die Autoren des Leitfadens behaupteten, dass „islamischer Terrorismus" ein „zu emotionsgeladener Ausdruck" sei, womit sie meinten, dass er von den meisten Muslimen abgelehnt würde. Ihre Alternative mag zwar nicht emotionsgeladen sein, aber sie stiftete auch Verwirrung und Unklarheit. Karen Hughes, damalige Unterstaatssekretärin im US-Außenministerium, verwendete ebenfalls einen „nicht emotionsgeladenen" Jargon. „Es ist schwierig festzulegen, wie man die Ideologie, mit der wir es zu tun haben, nennen soll, denn sie ist eine Perversion des Islam", stellte sie fest. Am Ende entschied sie sich für den nicht emotionsgeladenen, dafür aber diffusen Begriff „gewalttätiger Extremismus".

Die Verwirrung, die Amtsträger beim Sprachgebrauch an den Tag legen, ist von einem allgemeinen Gefühl des Defensiven und der Verwirrung gegenüber der islamischen Kultur geprägt. Ein kleines, aber treffendes Beispiel für dieses Klima der Orientierungslosigkeit war die Anleitung einer schottischen Schulbehörde, in der Schülern und Lehrern geraten wurde, Muslime nicht anzustarren. „Das Anstarren oder Anschauen ist eine Form der Diskriminierung, da es der anderen Person ein unangenehmes Gefühl gibt, oder das Gefühl, nicht normal zu sein", hieß es in der Anleitung. Eine derartige Selbstbeschränkung von Sprache und Verhalten führt zu Sorgen, die noch dadurch verstärkt werden, wenn man sich nicht traut, sie öffentlich zuzugeben. Heute wird der Begriff Islamophobie ständig verwendet, um jeden zum Schweigen zu bringen, der es wagt, auch nur die leiseste Kritik an der Rolle der Islamisten in westlichen Gesellschaften zu äußern.

Wer sich weigert, die Herausforderung, die die Verfechter der islamistischen Ideologie darstellen, öffentlich anzuerkennen, hält Beschwichtigung für den vernünftigsten Weg, damit umzugehen. In Wirklichkeit macht man sich so aber schuldig, die Gesellschaft moralisch zu entwaffnen und die Fähigkeit der Öffentlichkeit zu untergraben, mit einer realen Bedrohung für ihre Lebensweise umzugehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis viele britische Schulen in einen Kampf um die Herzen der Kinder geraten, und die Herausforderung, die Jugend vor dem Einfluss islamistischer Ideologen zu schützen, sich nicht mehr vermeiden lässt. Deshalb müssen wir über den Islamismus sprechen und das I-Wort benutzen. Eine solche Diskussion würde dazu beitragen, den Unterschied zwischen Islam und Islamismus zu klären und die Aufmerksamkeit auf diejenigen zu lenken, die gegenüber den Werten und Gepflogenheiten der westlichen Gesellschaft intolerant sind.

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